Donnerstag, 9. Oktober 2014

Great women #2: Lotte Reiniger



Barbara/barbarabee hat eine Reihe initiiert, in der sie immer donnerstags großartige Frauen in Wort und Bild vorstellen will. Da ich mich jahrelang mit diesem Thema befasst habe, habe ich mir vorgenommen, ab und an einen Post zu einer solch bemerkenswerten Frau beizusteuern .

Hier und hier habe ich schon von ihr geschwärmt und mich als leidenschaftliche Bewunderin ihrer Kunst - dem Scherenschnitt & dem Zeichentrickfilm - bekannt: Lotte Reiniger. Denn nicht Walt Disney ist der erste Trickfilm der Filmgeschichte zu verdanken, sondern dieser Pionierin. Deshalb will ich sie heute näher vorstellen:

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Als Charlotte Reiniger kommt sie in Charlottenburg am 2. Juni 1899 auf die Welt, in eine aufgeschlossene, bürgerliche Familie, die ihr einziges Kind in eine Schule mit reformpädagogischen Ansätzen schickt.  Dort kommt sie auch mit dem Scherenschnitt und dem Schattentheater in Berührung.

1915 besucht sie eine Zeichenschule. Durch einen Vortrag von Paul Wegener wird sie 1916 animiert, Schauspielunterricht an der Max - Reinhardt- Schule zu nehmen. Mit Wegener arbeitet sie in einer Werkgruppe zu Schauspielersilhouetten.
Darüberhinaus arbeitet sie im  Film- Team Wegeners an "Der Rattenfänger" und anderen Filmen mit. 1919 gründet sie ein experimentelles Trickfilmstudio und entwickelt ihre ganz eigene Technik für den Silhouettentrickfilm. Es entsteht ihr erster eigener Trickfilm "Das Ornament des verliebten Herzens" und mit Wegener arbeitet sie zusammen am Film "Der verlorene Schatten".

1921 heiratet sie Carl Koch, den sie schon 1919 kennen gelernt hat und mit dem sie eine lebenslange, produktive Gemeinschaft bildet. Es entstehen weitere Filme, u.a. "Der fliegende Koffer", "Aschenputtel", "Dornröschen" und ein Werbefilm für Nivea.


Von 1923 an arbeitet sie mit ihrem Mann, Berthold Bartosch & Walter Ruttmann am ersten abendfüllenden Trickfilm der Filmgeschichte: "Die Abenteuer des Prinzen Achmed":


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In  dieser Zeit lernt sie auch Bertolt Brecht, Lotte Lenya und den französischen Filmemacher Jean Renoir kennen, mit denen sich eine Freundschaft bzw. eine fruchtbare Zusammenarbeit entwickelt. Der Film kommt 1926 heraus und Lotte Reiniger unternimmt anschließend mit dem Finanzier des Filmes, Louis Hagen, eine Ägyptenreise. 1927 entsteht dann der Film "Dr. Dolittle und seine Tiere":



1927/28 entstehen Koproduktionen mit Renoir und Brecht und zu Beginn der 30er Jahre weitere Filme im Stil der Commedia dell'Arte, unter anderem auch der hier bei mir schon gezeigte "Papageno" - Film. Ein Film über die Entstehung des Rades ( und der mit dem ersten Spatenstich für die deutsche Reichsautobahn endet ) wird 1934 vom Reichsinstitut als Lehrfilm übernommen.

Da Carl Koch als überzeugter Pazifist sich im NS - Staat gefährdet & Reiniger keine Voraussetzungen für neue Filme sieht, wandern die beiden nach London aus. Dort entstehen einige weitere Filme, auch setzen sie zusammen die Arbeit an Renoirs Film "La Tosca" in Rom fort, nachdem dieser in die USA geflüchtet ist. 1942 kehren sie allerdings nach Berlin zurück, um am Theater am Schiffbauerdamm bei Schattenspielen mitzuarbeiten. Diese Zusammenarbeit bleibt auch nach Kriegsende bestehen, bis das Paar 1949 endgültig nach London übersiedelt. Dort entstehen Werbefilme & Schattentheateraufführungen sowie Illustrationen für eine Neuausgabe der Artussage.

Ab 1953 produziert Lotte Reiniger wieder eine ganze Reihe von Märchenfilmen. 1955 erhält sie den Preis für Fernsehkurzfilme auf der Biennale in Venedig für "The Gallant Little Tailor":



In den folgenden Jahren setzt Lotte Reiniger ihre Kunst sehr vielseitig ein, unter anderem auch für Kirchenfenster für die Abbey New Barnet.
1962 werden das Ehepaar Reiniger - Koch britische Staatsbürger. 1963 stirbt Koch. Reiniger konzentriert sich danach auf das Schattenspiel, für ein Kinderfernsehprogramm vor allem solche zu biblischen Themen. 1969 zeigt eine Ausstellung in der deutschen Kinemathek in Berlin die Arbeiten der Lotte Reiniger. 





1971 entstehen schließlich die wunderbaren großen Scherenschnittfolgen zu den Mozartopern "Cosi fan tutte", Don Giovanni", "Die Zauberflöte" und "Die Hochzeit des Figaro":



Ich schätze mich glücklich, dieses Buch in meinem Besitz zu haben:














1972 erhält Lotte Reiniger auf der Berlinale das Filmband in Gold. Sie entwickelt weitere Schattenspiele zur "Magic Flute" und "The Lost Son":



Es beginnt eine Zeit mit vielen Reisen nach Amerika und in Europa. 1979 wird ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen und eine Filmretrospektive in München veranstaltet. Ab 1980 hält sich Lotte Reiniger öfter in Dettenhausen bei Tübingen auf, wo sie auch 1981 stirbt und bestattet ist. 

Warum Dettenhausen? Dort lebt das Ehepaar Helga & Alfred Happ, beide begeisterte Scherenschnittsammler, die in London die Bekanntschaft mit Reiniger gesucht hatten und sie nach Dettenhausen einluden. Sie hatten ihr auch angeboten, dort im Pfarrhaus zu bleiben, wenn es alleine nicht mehr ging. Die Happs organisierten auch die Überführung des Reinigerschen Nachlasses aus London, hüteten den Schatz dann 20 Jahre, bevor sie ihn dem Tübinger Stadtmuseum übergaben.
Das ist heute die größte Sammlung der Werke Lotte Reinigers, die seit 2008 als Dauerausstellung zu besichtigen ist.

Wer Lotte Reiniger, ihre Filme & Bücher näher kennenlernen möchte, sei auf diese Sammlung verwiesen.

Die Filme Lotte Reinigers sowie die Ausstellung ihres Nachlasses im Tübinger Stadtmuseum sind wieder ein Kulturtipp von mir. Ich verlinke deshalb diesen Post mit der gleichnamigen Blogparade bei Tanja Praske.


18 Kommentare:

  1. Ein toller Kulturtipp! Scherenschnitte sind irgendwie etwas aus der Mode gekommen, wie ich finde...eigentlich schade...LG Lotta.

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  2. "ressemble au théâtre d'ombres chinoises" Lotte Reiniger hatte einen wunderbaren "scherenschnitt" - es ist schön zu sehen wer der autor dieser werke war.

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  3. Danke für die Vorstellung, deshalb mag ich Deinen Blog, weil Du immer wieder Künstler Bäume etc auf eine liebevolle Art vorstellst.
    LG Sonja

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  4. wenn ich wieder mal nach tübingen komme, weiß ich, wo mich mein erster weg hinführt!
    danke für diesen informativen und spannenden post! da ich eher grobmotorikerin bin, bewundere ich diese filigranen arbeiten ganz besonders.
    liebe grüße von mano

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  5. Ich sag's ja, Bloggen bildet, ich hatte keine Ahnung von dieser Frau, toll!!! ... Die filigranen Scherenschnitte sind ja irre und ich muss an meinen stoppeligen Scherenschnittbaum aus der Schule denken. Da geht es mir wie Mano (wobei, wenn ich deren so zauberhaft gefüllte Minikistchen sehe...). Danke für die Bekanntschaft mit Lotte Reiniger! Herzlich Ghislana (gespannt auf weitere Frauen bei dir!)

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  6. Liebe Astrid,
    vielen Dank für deine wunderbaren lehrreichen Posts - das ist quasi Blog-Kolleg ;o)

    Viele Grüße
    Astrid rechtsrheinisch

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  7. Danke Liebe Astrid für diesen schönen Bericht. Lotte Reiniger habe ich auch kürzlich entdeckt, ich glaube es lief eine Doku im Fernsehen und ich war sofort total fasziniert, denn gerade auch Ausschnitte die Abenteuer des Prinzes Achmed sind total faszinierend. Ich hätte sie bestimmt auch irgendwann mit in meine Liste aufgenommen, aber da du das so schön erledigt hast, freue ich mich über die tollen Scherenschnitte und deinen Bericht!
    Vielen Dank fürs Mitmachen.
    Bei mir gibt es heute was Abenteuerliches.
    Liebe Grüße
    barbara bee

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  8. Noch mal ein Anliegen in eigener Sache, irgendwie führt dein link zu meinem 1. Great Woman post, das ist vielleicht etwas verwirrend!
    Nochmal liebe Grüße barbara bee

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  9. Lieben Dank für diesen interessanten und anregenden Beitrag! Es ist immer wieder eine Freude, bei Dir zu Gast zu sein und seinen Horizont wieder zu erweitern!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  10. Liebe Astrid
    vielen Dank für diesen Beitrag. Dank dir, werden meine Familie und ich unsere Heimat wieder ein bisschen besser kennenlernen. Ohne deinen Beitrag wären wir wohl so schnell nicht ins tübinger Stadtmuseum gegangen.
    Danke dafür.
    Liebe Grüße
    SaBine

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  11. Wow, liebe Astrid, Danke! Ich weiss, warum ich Deinen Blog so sehr mag.
    glg Susanne

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  12. scherenschnitte finde ich allgemein faszinierend, ich kann mir die feine, fast pingelige arbeit nicht vorstellen zu machen! aber ich finde, die szenen im schattenriss haben etwas geheimnisvolles, mystisches an sich. gekannt habe ich die künstlerin allerdings nicht.
    danke für den schönen post!

    susi

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  13. Liebe Astrid,
    das war für Bildung vom Feinsten, ich muss gestehen dass ich über Lotte Reininger bisher nichts wußte.
    Die Scherenschnitte sind so filigran - eine Wahnsichtskunst.
    herzlich Judika

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  14. Liebe Astrid,

    so, pflege umgehend deinen Kultur-Tipp bei meiner Blogparade ein. Ich werde leider nicht automatische von der Verlinkung informiert, deshalb jetzt erst meine Rückmeldung.

    Ein ganz toller #KultTipp und wieder eine wunderbare Künstlerin - ich danke dir dafür! Das Tübinger Stadtmuseum lohnt sich! Vor allem lohnt sich aber deine #Women-Serie - toll!

    Schönen Abend!

    Herzlich,
    Tanja

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  15. Liebe Astrid,

    anbei das erste Fazit von #KultTipp mit dir: http://www.tanjapraske.de/2015/01/05/planaenderung-baden-wuerttemberg-buntes-kultur-kaleidoskop-kulttipp-3/#more-604

    Ich wünsche dir ein schönes Jahr 2015!

    Herzlich,
    Tanja

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  16. Unglaublich, diese Scherenschnitte!!!
    Ganz herzliche rostrosige Grüße von der Traude

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  17. Oh, ja, Lotte Reininger!!! Wie toll! Danke. Hab vor zwei/drei Jahren in Salzburg die Dreigroschenoper gesehen und sehr an sie gedacht. Ein Teil des Bühnenbildes waren bewegte Scherenschnitte.
    Danke du Liebe und hab eine feine Zeit
    Elisabeth

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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