Donnerstag, 22. Januar 2015

Great Women # 10: Nina Simone


Barbara/barbarabee hat den Anstoß für diese Reihe geben und donnerstags in ihrem Blog bemerkenswerte Frauen in Wort und Bild vorgestellt. Da mochte ich mich gerne anschließen, denn es ist eines meiner Lebensthemen.


In den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde ich durch einen Chanel - Werbespot im Kino auf einen Musiktitel aufmerksam, der mich sofort heftig ansprach: "My Baby just cares for me":



Erstaunlicherweise hatte die Sängerin, die den Titel schon fast 30 Jahre früher aufgenommen hatte, vorher in meinem musikalischen Gedächtnis keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Und das, obwohl ich mich schon als 16jährige mit dem Bazillus "Schwarze Musik" nach Besuchen eines Clubs in der nordbadischen Provinz, der von amerikanischen GIs frequentiert wurde, infiziert hatte.  Nina Simone, so hieß sie, hatte in meinem musikalischen Kosmos bis zu jener Entdeckung keine Rolle gespielt. Warum, kann ich heute überhaupt nicht mehr nachvollziehen...

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Nina Simone kommt am 21. Februar 1933 als Eunice Kathleen Waymon in einer Kleinstadt in North - Carolina, Tryon City, zur Welt. Ihre Eltern - da widersprechen sich die Quellen - sind Methodistenprediger, mal heißt es, die Mutter, mal der Vater. Die vermitteln ihrer Tochteraber auf jeden Fall, dass sie brav, gottesfürchtig, fleißig & bescheiden sein soll, dann würde ihr Glück & Erfolg schon beschieden sein.

Eunice fällt schon früh als musikalisch begabtes Kind auf, spielt im Kleinkindalter nach Gehör auf dem Klavier und begleitet die Gottesdienste in der Kirche der Eltern. Doch für richtige Klavierstunden fehlt das Geld. Dafür springt eine weiße Gönnerin, später ein Spendenfonds, ein, um ihren Unterricht bei "Miss Mazzy" zu finanzieren. Rassendiskriminierung - das dringt in jenen Jahren nicht in das Bewusstsein des begabten Kindes. Bei ihrer Lehrerin lernt sie Bach, ja, die ganze europäische klassische Musik kennen und träumt davon, Konzertpianistin zu werden.

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Bei ihrem ersten öffentlichen Konzert als 11jährige dürfte Eunice deutlich geworden sein, dass dies für jemanden, der zwar jung & begabt, aber schwarz ist, nicht ohne Widerstände zu verwirklichen ist: Ihre Eltern müssen ihren Platz in der ersten Reihe für ein weißes Paar räumen. Eunice weigert sich daraufhin zu spielen und setzt so durch, dass dies rückgängig gemacht wird. Doch später spricht sie von einem Gefühl, als wäre sie ausgepeitscht worden...

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Doch es kommt noch dicker: Trotz guter Vorbereitung durch ein Kurzstudium an der New Yorker Juilliard School wird ihr 1950 die Aufnahme in das Curtis Institute of Music in Philadelphia verweigert mit der Begründung, sie sei nicht gut genug.
Es spricht für Eunice, dass sie nicht aufgibt, Privatstunden nimmt, die sie sich durch Klavierbegleitung bei Gesangsstunden verdient. 1954 geht sie nach Atlantic City, dem Las Vegas an der Ostküste, wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten dort.

Sie sitzt in einem Pub am Klavier und unterhält die Gäste regelmäßig mit Jazz und Blues. Der Besitzer des Lokals verlangt: "Entweder du singst, oder du bist gefeuert." Sicher von ihm nicht beabsichtigt, erweist sich diese seine Anweisung als genialer Streich, denn die Stimme Nina Simones - kehlig & guttural, "eine Geröllhalde der Sehnsüchte und enttäuschten Hoffnungen" - ist einmalig.
Eunice Waymon nennt sich von nun an Nina Simone ( "Nina"= spanisch für "kleines Mädchen" und "Simone" nach der französischen Schauspielerin Simone Signoret, die in den fünfziger Jahren lieber ihre amerikanische Karriere riskiert hatte, als ihre Kritik an Amerikas Apartheid und Kommunistenhetze zu verschweigen. ) und gerät mit ihren Auftritten in den Blick Musikbegeisterter. 1958 erscheint ihr erstes Album:

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Die Single - Auskopplung von Gershwins "I Loves You, Porgy" wird ein Hit und beschert ihr einen Plattenvertrag.

1959
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Ihre klassische Ausbildung verfolgt sie weiterhin, kommt aber auch in Berührung mit John Coltrane, Bob Dylan, Woody Allen im New Yorker Greenwich Village mit seinen Jazz Clubs. 
Dort lernt sie Menschen wie Lorraine Hansberry kennen, der ersten schwarzen Autorin eines Broadway Musicals, der sie - nach ihrem frühen Tod - den Song "To Be Young, Gifted and Black" widmen wird, und andere schwarze Intellektuelle, allesamt Anhänger der Civil Rights Bewegung. So kommt Nina Simone in Kontakt mit der Politik. Aber erst durch ihre Freundschaft zu Lorraine gewinnt sie die Überzeugung, dass sie schon alleine wegen ihrer Hautfarbe Teil des Kampfes gegen die Rassendiskriminierung ist.

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1961 lernt sie Andy Stroud kennen. Sie werden ein Paar, er managt ihre Karriere und treibt sie an.  In ihrer Autobiographie beschreibt sie ihn als toughen Typen, strengen Manager und Macho. ( Die Ehe wird daran später zerbrechen. ) 1962 wird die gemeinsame Tochter Lisa Celeste geboren:

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1963 dann, nach der Ermordung des Civil Rights Aktivisten Medgar Evers und dem Tod vier junger Mädchen bei einem Bombenanschlag auf eine schwarze Kirche in Alabama, stellt sie ihre Kunst in den Dienst der Bürgerrechtsbewegung und veröffentlicht "Mississippi Goddam".  

Es folgen weitere Songs. Nina ist stolz darauf, dass sie bei Versammlungen der Bürgerrechtler gespielt werden. Sie will nun wachrütteln und motivieren. Auf der Bühne ist die Sängerin abgeklärt, privat geht es aber immer mehr drunter und drüber.

1964
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Jenseits der Bühne ist die sie unsicher, einsam und voller Selbstzweifel. Als ihre Ehe in die Brüche geht, schreibt sie "Four Women", ein Stück über und für ihre "Black Sisters", in dem es um weibliche Identitätssuche, Rollenkonflikte in Liebesbeziehungen und die Diskriminierung afroamerikanischer Frauen durch ihre afroamerikanischen Männer aufgrund der Helligkeitsstufe ihrer Haut geht.
Kämpferisch bleibt sie hingegen in ihrer Unterstützung, auch musikalischer Art, der Bürgerrechtsbewegung. Schon beginnt sich einiges in der Politik zu bewegen, als Martin Luther King 1968 auf dem Balkon des Lorraine Motel in Memphis von einem weißen Rassisten erschossen wird.

Drei Tage später steht auch Nina Simone auf der Bühne eines Konzertes in New York unter dem Motto: "Genug geredet!", das auch auf einer LP veröffentlicht wird. Von ihr stammt darauf ein Medley aus Songs des Musicals "Hair".

1968
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Innerlich brennt sie, wie sie es selbst beschreibt, und manövriert sich an den Rand des Zusammenbruchs. Sie trinkt, hat Wutausbrüche, giert nach Liebe und Aufmerksamkeit, und sie ist enttäuscht über die Entwicklungen in der Bürgerrechtsbewegung. 

"Es kam nicht plötzlich", schreibt sie in ihrer Autobiografie. "Aber diese Gefühle wurden immer intensiver, bis ich mich irgendwann, gegen Ende der sechziger Jahre, im Spiegel betrachtete und zwei Gesichter sah: Ich wusste, dass ich zwar gern schwarz und eine Frau war, aber dass es genau meine Farbe und mein Geschlecht waren, die mich [...] kaputt gemacht hatten.

Anfang der Siebziger Jahre
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Sie flieht vor dem gewalttätigen Ehemann und Manager nach Barbados ( wo sie eine Affäre mit dem Ministerpräsidenten hat ). 
Sie flieht nach ihrer vorläufig letzten Plattenaufnahme ( "It Is Finished" ) 1974  weiter nach Liberia.  Sie flieht vor der amerikanischen Steuerbehörde, die hinter ihr her ist, obwohl alle Bankkonten weiterhin über ihren Ex-Mann laufen.
Sie fühlt sich verfolgt & verraten: von Amerika, dem Musikbusiness, und überhaupt von allen. Der Versuch, sich selbst zu managen, scheitert: Wichtige Shows werden in letzter Minute abgesagt. Letztendlich landet sie in Europa.

Den Erfolg ihres eingangs erwähnten Songs hat sie nie verstanden, als der 1987 ein Welthit wurde, denn in ihren Augen war er belanglos. Außerdem hat sie von dem Erfolg rein gar nichts, denn die Rechte an diesem Titel hatte sie abgetreten. Doch sie tritt immer wieder auf, veröffentlicht neue Aufnahmen, die letzte heißt "A Single Woman":

 1993
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1993 siedelt sie sich in Südfrankreich, in Carry-le-Rouet, an. Dort stirbt sie am 21. April 2003 an den Folgen eines Krebsleidens.

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Das Bild von Nina Simone in den Medien trägt viele Facetten, auch weniger schöne, denn sie war kämpferisch, unverblümt und damit leicht angreifbar. Deshalb habe ich als letztes Foto eines ausgesucht, auf dem sie lacht,  statt sich verbittert zu zeigen.

Ninas Beitrag zur Musik ist für mich etwas, das über Generationen erhalten bleiben wird, denn sie hat ihren ganz eigenen musikalischen Stil kreiert, indem sie Gospel, Folk, Blues, Jazz, Klassik und Weltmusik miteinander verband. "Schwarze Klassik" nannte sie das, was für sie auch eine politische Bedeutung hatte: "Für die meisten Weißen ist Jazz schwarz und Jazz bedeutet Dreck – das ist nicht, was ich spiele. Ich spiele schwarze klassische Musik."

Ja, genau so sehe & bewerte auch ich den Beitrag der Afroamerikaner zur Musik dieser Welt, gleichberechtigt neben all dem, was in den Konzerthäusern Europas so aufgeführt wird.








20 Kommentare:

  1. wieder ein so fabelhafter beitrag in eurer frauenreihe! ohne dich hätte ich nina simone nie kennengelernt (ich bin ein seh- aber kein hörmensch...). nachher werde ich mir gleich ein paar ihrer lieder anhören. ich danke dir aber auch ganz besonders für deinen letzten satz!!!
    herzlichen gruß, mano

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  2. Ein beeindruckendes Portrait einer beeindruckenden Frau...danke fürs Teilen...LG Lotta.

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  3. Du bist einfach eine Super-Schnelldurchlauf-Biografin! Hut ab und dankeschön!
    Sei herzlich gegrüßt von
    Lisa

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  4. Ohne dich hätte ich von so vielen interessanten Frauen nie etwas erfahren, manchmal kannte ich nur den Namen, manchmal noch nicht mal das.
    Eine wirkliche Bereicherung!
    Vielen Dank dafür!!!
    LG,
    Monika

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  5. ich lernte nina simone durch den film codename:nina kennengelernt, in dem die hauptdarstellerin sich musik von nina simone in ihrer "einzelhaft" wünscht.
    die stimme ist einfach unvergleichlich und ihr leben auch sehr beeindruckend, wie ich durch dich jetzt erfahren habe. vielleicht braucht es diese zerrissenhait, um so voller gefühl und hingabe singen zu können!

    lieben gruß und danke für deine tollen women-posts!
    susi

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    1. Ich habe sowieso den Eindruck, liebe Susi, dass nur aus solcher Gebrochenheit große Kunst entstehen kann. Das geht mir eigentlich bei allen "meinen" Frauen so.
      GLG

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    2. ein kleiner trost, dass ich keine große künstlerin geworden bin ... bin nicht kaputt genug!

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  6. ich kann mich nur anschließen wieder ein ganz wunderbarer Beitrag!
    Es gibt noch so viele große Frauen und ich freue mich schon auf die, von dir ausgesuchte, nächste Persönlichkeit!

    Du solltest über eine gebundene Form nachdenken!!!

    liebe Grüße

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  7. ...heute eine Frau, liebe Astrid,
    deren Musik ich zumindest kannte...ihre bewegte Lebensgeschichte allerdings nicht und die habe ich jetzt interessiert gelesen...eine starke Frau, die wegen der mangelnden Unterstützung fast daran zerbrochen ist...danke für diesen Post,

    lieber Gruß Birgitt

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  8. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich sehe, dass Du wieder eine großartige Frau vorstellst. Danke, für die Vorstellung dieser faszinierenden Künstlerin.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  9. Ich freue mich auf jeden Donnerstag, wenn bei dir eine neue tolle Frau vorgestellt wird. Diesmal kannte ich sie (mehrmals im Fernsehen gesehen "damals"...) und es war ein feines Wiederlesen und Wiederhören. Wie knapp du so ein Leben in bewegende und anregende Worte fassen kannst, ist einfach großartig... So kann das gerne weiter gehen, am Donnerstag, hier bei dir... Lieben Gruß Ghislana

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  10. Wieder ein spannender, neugierig machender Beitrag. Ich kenne die Sängerin auch durch die Werbung, muss sie mal wieder hören... LG mila

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  11. Danke danke danke für diesen wunderbaren Post. Ich war in einem ihrer letzten Konzerte in Deutschland, in der Philharmonie, und werde das nie vergessen. Ich liebe ihre Musik, und dank deiner umfangreichen Abhandlung weiß ich jetzt viel mehr über sie.
    Liebe Grüße
    Christine

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  12. Hallo Astrid,
    ich habe eben in das Stück "Four Women" hinein gehört. Ein ausdrucksvolles Stück von einer ausdrucksvollen Frau. Ich kannte von ihr nur das Stück "I don't care" oder so ähnlich, das Ende der 1980er Jahre entstand. Eine ebenso beeindruckende Biografie von einer Schwarzen, von der ich nichts weiß. Finde ich schön, dass Du Dich mit Biografien befaßt. Auf meinem Blog sind Biografien stark unterrepräsentiert.

    Gruß Dieter

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  13. Vielen Dank für diesen lehrreichen und interessanten Beitrag!
    Ich erinnere mich, dass ich von Nina Simone das letzte mal im Film über Nick Cave (20000 Days on Earth) gehört habe, als er sich mit einem anderen Musiker über sie unterhielt...
    Viele Liebe Grüße,
    Kerstin

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  14. Eine der ganz Großen! Ich hab noch ein paar Vinyl-LPs von ihr, da höre ich jetzt gleich mal wieder rein. Und danke, dass du dir die Mühe einer Kurzbiographie gemacht hast, ich wußte zwar ein bisschen über ihren Werdegang, aber es war toll, das jetzt mal so umfassend zu erfahren.
    Herzlichst,
    Karin

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  15. Das hast du spannend erzählt! Ich wußte viel zu wenig von ihr!
    Liebe Grüße,
    Markus

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  16. Danke für die vielen Details aus dem Leben einer Frau von der ich bisher nichts wusste - den Song kenne ich allerdings.
    Deine Reihe hat mich übrigens dazu bewegt mir im Dezember einen Kalender mit Geschichten berühmter Frauen zu kaufen.
    herzlich Judika

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  17. Liebe Astrid,
    nachdem mein Mann ein echter "Musikfreak" ist, konnte mir Nina Simone kaum entgehen. Mit ihrer Geschichte habe ich mich allerdings bisher noch nicht beschäftigt, und so war die Lektüre deines Artikels sehr interessant für mich!
    Ganz liebe lachfaltige Rostrosengrüße
    Traude

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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